Anna Bokov

Begründung der Jury

Wchutemas, die Moskauer Kunsthochschule der 1920er Jahre, war das Zentrum konstruktivistischer Ausbildung. Es entstanden monumentale Visionen für Architektur und Umwelt.

Einen detaillierten Einblick in die Pädagogik dieser Kunsthochschule gewährt das vorliegende Kompendium auf stattlichen 624 Seiten. Die Grammatur des Papiers ist gerade so, dass die Opazität eine üppige Bebilderung verträgt und die Doppelseiten sich dennoch geschmeidig öffnen. Deren gravierendes Gewicht stabilisiert ein Pappband mit robusten Deckeln. Den vorderen veredelt ein bedruckter Leinenbezug, der hintere wird griffig gemacht durch das Relief, das die ins rote Papier gepressten, schwarzen, fetten Lettern der Ankündigungstexte hinterlassen. Diesen Einbandhybrid könnte man als halben inversen Halbband bezeichnen.

Aufsätze stehen auf linken Seiten, Bildtafeln bekommen einen schwarzen Hintergrund bis zum Papierrand. Alle Abbildungen zeigen sich dank des Kristallrasters in Faksimilequalität. Die Kapitel lassen sich gut ansteuern, wenn die Hand in den Buchblock greift, ihn auffächert und deren beidseitig warmrote Trennseiten hervorblitzen.

Konstruktivistische Logik definiert die typografischen Verhaltensregeln. Beispiel: Dem gleichen Maß von Einzügen, Spaltenabständen und Distanzen zu Bildern liegt ein unscheinbares Detail zugrunde. Der hängende Einzug der Bildunterschriften bemisst sich nach dem Zeilenverbrauch der vorangestellten Signatur: 10 mm.

Auf keinen Fall sollte man also diese Buchgestaltung mit Retrodesign verwechseln, prüft sie doch lediglich die Gültigkeit tradierter Prinzipien.