Nora Krug
Im Krieg
Zwei illustrierte Tagebücher aus Kiew und St. Petersburg
- Kategorie
- Ratgeber - Sachbücher
Begründung der Jury
Die Autorin führte im ersten Kriegsjahr mit einer ukrainischen Journalistin und mit einem russischen Künstler unabhängig voneinander regelmäßige Interviews. Durch ihre Perspektive als Außenseiterin kann sie beiden Protagonisten als Sprachrohr dienen. Als Zeichnerin fand sie für die verstörenden und grausamen Schilderungen die Form eines illustrierten Tagebuches.
Die Doppelseiten zeigen sich mit verteilten Rollen, immer links die Ukrainerin, rechts der Russe. Die Seiten unterscheiden sich im Kolorit, links dominieren beige, rötliche und violette Töne, rechts bläuliche, grünliche und bräunliche. Die Nachrichten aus beiden Ländern sprechen also für sich, aber sie stehen auch paritätisch nebeneinander. Gleichzeitig werden sie wie in einem biografischen Duell in 52 Runden miteinander konfrontiert: Ein angeschnittenes Daumenregister zählt die Wochen eines Jahres durch. Eine solch vielschichtige Syntax gelingt in Nachrichten nur selten.
Unterschiedlich breite Linienfelder mit Lettering-Schrift gruppieren sich um ein Panel. In der handschriftlichen Anmutung finden die persönlichen Schilderungen eine passende Form. Die Illustrationen zeigen wie Momentaufnahmen Szenen in starken Anschnitten. Hände und Arme der Erzähler sind zu sehen, aber nie ihre vollständigen Gesichter. Diese Bildtechnik steht in diametralem Gegensatz zu den Fluten der Massenmedien, die den Bildfokus vom Kontext des Geschehens befreien. Hingegen kommt ein langsames Medium mit sichtbar höherem Abstraktionsgrad wie dieses Buch viel näher an einen ran: Es spricht direkt zu mir.