Annett Gröschner, Arwed Messmer, Florian Ebner u.a.
Inventarisierung der Macht
Die Berliner Mauer aus anderer Sicht
- Kategorie
- Kunstbücher - Fotobücher - Ausstellungskataloge
Begründung der Jury
Zwei großformatige Bände dokumentieren den vollständigen Verlauf der Berliner Mauer im Jahr 1966. In zeitgenössischen Fotografien aus Sicht der DDR. Auf insgesamt 1328 Seiten.
Mit Übersichtsplänen, in die neben dem Mauerverlauf und den Grenzeinrichtungen Standort, Richtung und Blickweite jeder einzelnen Aufnahme eingetragen ist. Lokalisiert mit geografischen Koordinaten. Inventarnummer sowieso.
Eine vermutlich nervtötende, akribische Fleißarbeit. Genauso repetitiv wie die Aufnahmen selbst. Schwarzweiß auf leichten, gräulichen Papier. Dröge wie die Grenzbeobachtung. Aktenmäßig. Dokumentation der Dokumentation.
Die Versuchung ist groß, einen Selbstversuch zu riskieren. Beginn bei Bild 0001, 52° 24‘ 04,51“ N, 13° 30‘ 52,56“ O. Das Panorama als breiten Streifen über die Doppelseite gelegt. Die Augen verdrehen sich im Blick vom äußersten Links zum weitesten Rechts. Keine Lücke. Weiter geht’s. Dann und wann ein Zitat aus dem Wachtprotokoll unterm Bild, Ort, Uhrzeit. »Ein Westberliner Zöllner wirft eine Brauseflasche über die Mauer«. Auf, weiter. Matsch, Acker, Pfähle, Draht, Türme, Bretter, Gräben. Und dann: eine Mauer. Mauer. Mauer. Mauer. Werde ich durchhalten? 1058 Bilder lang?
Die ständige Aufmerksamkeit – gebannt auf diese gebaute, ununterbrochene Linie in der Landschaft, in der Stadt – ermüdet den Blick, schleift den Horizont.
Dieses Werk ist ein würdiges politisches Geschenk für jeden Staatsgast, der von Mauern träumt.