Jochen Sandig, Bettina Sluzalek, Raffaela von Salis u.a.
Ludwigsburger Schlossfestspiele 2020
Fest Spiel Buch
- Kategorie
- Ratgeber - Sachbücher
Begründung der Jury
Frisch aus der Druckerpresse und schon Makulatur? Bei Redaktionsschluss der Ludwigsburger Schlossfestspiele ahnte niemand, dass fünf Wochen später eine Epidemie das Land in Zwangspause schickt. Aufführungen mit Publikum? Alle verboten. Welche Mühen haben die Organisatoren aufgebracht, von den Künstler*innen nicht zu schweigen? Alles minutiös geplant – bis hin zum Programmkatalog, den die Gestalter zu einem eigenständigen Kunststück formten.
Der Katalog berauscht durch seine Bildreproduktion in einem mehrfach manipulierten Vierfarbendruck: Sattes Blau, Neonpink, Neongelb und Schwarz werden im Quadruplex-Modus auf regelabweichende Weise über die Tonwerte verteilt, dass sich die Gradationskurven nur so biegen. Der Blick in die Barockkuppel wirkt noch überbordender, noch surrealer, noch barocker; das Konterfei von Hille Perl verwandelt sich in ein flammendes Medusenhaupt; der Schnappschuss einer Choreografie von Pina Bausch offenbart ein magmatisches Ereignis; und Bachs Kupferstich erscheint im Kolorit eines schillernden Paradiesvogels. Die Fadenheftung in sechs verschiedenfarbigen Garnen ist der dezente Knüller.
Noch ahnte Horst Köhler in seinem Geleitwort nicht, dass der Shutdown die Brisanz der ohnehin kraftvollen Gedanken steigern würde: „… wir werden Abschied nehmen müssen von manchen lieb gewonnenen Alltagsbequemlichkeiten und Konsumgewohnheiten. Aber wir gewinnen auch, wenn wir uns darauf besinnen, was wirklich Sinn und Glück stiftet. …“
Da behaupte jemand, Musik, Tanz, Theater, Literatur – und schöne Bücher – seien nicht systemrelevant.