Wiebke Elzel
Sabina, Rekonstruktion einer Recherche
- Kategorie
- Allgemeine Literatur
Begründung der Jury
Sabina von Steinbach war eine Bildhauerin der Gotik. So heißt es. Eine schriftlich überlieferte Inschrift bezeugt es. Die ist aber verschollen. Sabina wurde als steinernes Relief auf einem Fries in der Berliner Alten Nationalgalerie verewigt. Das gibt es tatsächlich.
Die Autorin fragt sich, was es mit Sabina auf sich hat, und zeichnet die Recherchen der – fiktiven – Forscherin »W.« nach. Die Autorin setzt mit künstlerischer Forschung einen Hebel an die Kunstgeschichtsschreibung, indem sie zwei Phantome miteinander konfrontiert: den Mythos einer Frau als mittelalterliche Steinmetzin und die eigene Spurensuche unter einem Pseudonym.
Das komplexe Gestaltungskonzept des Buches nimmt dieses Spiel der Fiktionen ernst. Die Fotografien sind minutiös reproduziert, Papiere und Druck fein aufeinander abgestimmt. Eine konturenscharfe Prägung des Titels mit weißer, matter Folie steigert die Grundhaptik des grünen Einbandmaterials, mit einer Struktur vorgeprägt. Der geheimnisvolle Rücken zitiert die verschollene Inschrift. Die Typografie unterscheidet deutlich zwischen den beiden Textebenen: Eine Antiqua, in sehr großem Lesegrad schwarz gedruckt, protokolliert die Befunde; die Serifenlose zitiert in deutlich kleinerer Größe aus einem Notizbuch. Hier findet das Grün Verwendung, mit grünflächigen Seiten beginnen auch die Kapitel.
Das Buch schließt – hinter dem versteckten Impressum – mit einem Epilog: die Unterhaltung historischer Funktionäre der Nationalgalerie, als typografisches Theaterstück inszeniert. So bleibt die Frage nach der Wirklichkeit möglichst lange in der Schwebe.