Christina Schmid, Sabine Fessler
Treppauf – Treppab
Stuttgarter Stufennotizen
- Kategorie
- Ratgeber - Sachbücher
Begründung der Jury
Rebgärten kleiden einen Talkessel aus – und werden dann einfach mit Häusern überbaut: Das ist Stuttgart. Von der einstigen „weinbauerischen Infrastruktur“ künden heute über 400 getreppte Wege, Staffeln genannt. Dieser städtebaulichen Besonderheit widmen zwei Künstlerinnen ein Langzeitprojekt: Sie statten Dutzenden dieser Treppen einen Besuch ab.
Das Ergebnis besteht aus zwei unabhängigen Teilen, einem Büchlein und einem Stadtplan. Dieser steckt in einer Hülle aus blanker Graupappe; unkaschierte Graupappe verstärkt auch die rotgefälzelte Broschur, beides mit dezenten Zeilen rotfarbig geprägt. Hier versammeln sich Wahrnehmungsprotokolle in Text und Bild. Die poetischen Miniaturen lesen sich in einer schön und lesbar eingerichteten Schrift, die an kommerzielle Drucke aus Zeiten erinnert, zu denen bereits nahezu sämtliche Stuttgarter Weinhänge zugunsten der Stadterweiterung gerodet waren.
Die schwäbische Verkleinerungsform „Stäffele“ drückt wohl nicht nur Wehmut aus, sondern auch die Beschwörung, dass sich die Mühe beschwerlichen Auf- und Abstiegs vermindere. Die vielen minimalistischen Bleistiftskizzen der Treppenanlagen blenden die Umgebung aus, sodass sie mal wie ein monumentaler Stufentempel aussehen, dort wiederum wie ein unbesteigbarer Alpengipfel, dann wie eine abgrundtiefe Schlucht oder – ganz abgefahren – wie ein Sonnenuntergang im Meer.
Dieses bibliophile Buchobjekt, ausgestattet mit rotem Heftfaden, roten Ein- und Ausstiegseiten, roten Seitenzahlen und einer sophistischen Verweistypografie gehört zur Grundausstattung jedes patriotischen Flaneurs.