Jan Küveler
Theater hassen
Eine dramatische Beziehung
- Kategorie
- Allgemeine Literatur
Begründung der Jury
Die flexiblen, weil hauchdünnen Deckenpappen wurden mit einem feinen Stöffchen in Lippenstiftrot bezogen. Goldene Versallettern in Mittelachse prägen sich dem Ganzgewebeband auf den Vorderdeckel. Dass sich dabei von der Prägefolie willkürliche Fitzelchen lösen und auf dem Textilgrund haften bleiben, mag in anderen Fällen als Panne gelten – hier schlüpfen sie in die Rolle von Flitter.
Nochmal zu den Versalien: Es sind hier nicht einfach schnöde Großbuchstaben. Nein, es sind hochhackig gestreckte Applikationen, wie sie in den Metropolen der zwanziger Jahre den Angeboten der Konsum- und Unterhaltungsbranchen zu hochwertigem Glanz verhalfen und sogar noch Teile der unseligen dreißiger Jahre vergoldeten.
Die Entwerfer dieser Art von Schriften dachten sich damals gewiss in die Dramatik derer Anwendung ein: Kosmetik, Pelzmäntel, Limousinen – Revueplakate. Der dicke Bauch des B steht auf dem Kopf, und die ohnehin spitzen Winkel von A, W, N werden zu gefährlichen Stichwaffen geschliffen. Damit nicht genug. Auf diesem Einband hier werden all diese Konnotationen gesteigert, indem sich Autorenname und Haupttitel in die Kurvatur von Vorhangwellen schmiegen.
Der Clou: In einem unscheinbaren Detail drückt sich die »dramatische Beziehung« des Gestalters zum Barcode aus. Der wird als Teil der goldenen Titelgestaltung zu einer Vignette umgedeutet – in der Sache diffamiert, in der Form aber geadelt. Alles in allem ein handliches Bändchen – ein Vademecum für gehässige Flaneure, die abhängig von den Objekten ihrer Verachtung sind.