SUNG TIEU
Without Full Disclosure
- Kategorie
- Kunstbücher - Fotobücher - Ausstellungskataloge
Begründung der Jury
Ist es eine Skulptur, eine Dokumentation, ein Objekt? „Es ist ein besonderes Kunstwerk in überragender Umsetzung“, so die Antwort der Jury. In ihrem experimentellen Buchprojekt „Without Full Disclosure“ widmet sich die Künstlerin Sung Tieu dem umstrittenen Thema Fracking. Hierfür entstanden über 600 Fotografien, die sie in dem mehr als 1000 Seiten starken Werk mit tabellarischen Daten kombiniert und somit auf die unabsehbaren ökologischen wie gesundheitlichen Folgen des Verfahrens verweist.
„Was zunächst widersprüchlich oder gar sinnlos wirkt, offenbart in der Gesamtlogik eine besondere Schärfe“, resümierten die Juror:innen. Tatsächlich irritieren zunächst die scheinbar endlosen Datenkolonnen auf Dünndruckpapier und deren vermeintliche Gleichförmigkeit. Das „Lesen“ wird beinahe zur meditativen Übung, doch dann rütteln visuelle Stolpersteine wach. Überlagernde Fotografien lassen innehalten, vor- und zurückblättern, vergleichen und nachdenken. „Die Buchform selbst wird dabei gezielt eingesetzt, um die inhaltliche Position zu vermitteln – sie ist nicht nur Trägerin, sondern Teil der Aussage“, so die Juror:innen.
Auch die stimmige Papierwahl trägt dazu ein, das lineare Lesen zu vergessen und sich im Blättern der federleichten Seiten zu verlieren. Weich und fließend mutet der Band trotz seines Umfangs und Formats an. Das Auge bleibt an den sorgfältig kuratierten Bildausschnitten hängen und auch die akribische typografische Leistung beeindruckt. Mit diesem Spiel der Transparenz, einer flexiblen Bindung und den sich windenden Seiten wird auch die intransparente Kommunikation rund um die Fracking-Operationen in den USA und Deutschland förmlich greifbar.