Marion Kliesch
Ästhetik der Zensur
Begründung der Jury
Ich sehe was, was Du nicht sehen sollst – so könnte eine Pointe dieser Untersuchung lauten.
Die faszinierende Studie zu Anlässen und Formen der Zensur von bzw. in Bildern zeigt auf, nach welchen ästhetischen Regeln diese Zensuren praktiziert werden.
Die gelbgrundigen Umschläge des zweibändigen Werkes sind sprechend gestaltet. Den Textband schmückt der bekannte schwarze Augenbalken in Übergröße und verdeckt die Titelzeile. Auf der Rückseite wiederum erscheint das vorn gelöschte Wort »Zensur« innerhalb der negativen Balkenform. Entsprechend wird auf dem Umschlagfoto des Bildbandes – mit dem bezeichnenden Titel »Index« – das Zentrum des Aktschoßes balkenhaft ausgespart; und genau dieser Bildausschnitt taucht auf der Rückseite wieder auf.
Im Innern des Textbandes stößt die typografische Strategie der Platzierung von Bild und Bildunterschrift immer wieder ins Auge. Die Abbildungen erscheinen wie über die Textspalten geklebt, als wenn der eigene Text zensiert wäre. Die zugehörige Bildunterschrift steht passgenau auf der Rückseite des Blattes, ebenso über den Fließtext gelegt.
Der Zweck einer Zensur ist das Verbergen, aber das Mittel des Bildabdeckens ist eine Hervorhebung. Die Paradoxie wird in diesen Bänden offensichtlich.