Charlotte Bräuer
Auf der Suche nach Zora
Ein Entdeckerbuch
Begründung der Jury
Selbst 1000 Seiten dünnes Papier sind ziemlich dick. Der geheimnisvolle dunkelblaue Einband hat etwas Altertümliches an sich; der fleckig scheinende Bezug der Halbgewebedecke wirkt wie eine abgegriffene Haut; der Stil der fetten Schrift war in Zeiten der professionalisierten Wissenschaftsexpeditionen und auch der beginnenden Expansion der Reiseliteratur so richtig modern. Selbst der knallige Farbschnitt, um die Buchseiten in muffigen Archivsälen vor neugierigen Krabbeltierchen abzudichten, ist plausibel.
Aber so alt kann das Buch nicht sein: Die abgeschubberten Spuren sind ja Wolken auf einem Satellitenbild. Felder, Straßen und Bebauungen sind zu erkennen – klitzeklein. Innen bestätigt der typografische Charakter eines Nachschlagewerkes den enzyklopädischen Habitus. Auf der Suche nach einer imaginären Stadt haben die Einträge folgenden Aufbau: Textseite in feinster zweifarbiger Typografie mit Text aus einem historischen Ortslexikon, dann auf der nächsten Doppelseite die farbige Satellitenaufnahme der betreffenden Stadt, gefolgt von der Doppelseite mit einer Bodenansicht dieses Ortes, dann daraus die einseitige extreme Vergrößerung eines winzigen Ausschnittes als Pixelmosaik, mit einem Bild aus der gedruckten oder fotografischen Analogwelt gegenübergestellt.
Die Stringenz dieses Aufbaues, vom Blick aus dem All über die Pixel zur freien Bildassoziation, über eine solch lange Strecke, und die präzise Ausstattung in allen Details machen dieses Buch zu einem Kunstobjekt. Mit elaborierten Gestaltungszitaten, wie aus Zeiten, in denen man noch hoffte, die Komplexität der Welt mit Kompendien reduzieren zu können, führt es vor, dass letztlich das Ziel meiner Suche nicht im Medium liegen kann – mag es altmodisch oder neumodisch sein –, sondern nur durch es selbst hindurchführt. Eigentlich eine medienphilosophische Arbeit mit Mitteln der Buchgestaltung.