Malin Gewinner
Die Anthropomorpha
Tiere im Krieg
Begründung der Jury
Es könnte der Supplementband einer zoologischen Enzyklopädie sein, als ob in Brehms Tierleben etwas vergessen worden wäre. Thema ist die künstliche Vergrößerung des Habitats einiger Tierarten, nämlich die Ausweitung ihres Lebensraumes auf unheimliches Terrain: die Schlachtfelder des Menschen.
Ein zweispaltiger Satzspiegel wird so stringent wie freizügig genutzt (linksbündig gesetzte Spalten mit akribisch gleichmäßigem Flattern, Marginalspalte, lebender Kolumnentitel, Abkürzungslegende). Auf Textdoppelseiten folgen Bildseiten mit zeithistorischen Schwarzweißfotos – Belege dafür, dass Tiere im Krieg keine Fiktion sind.
Die große redaktionelle und gestalterische Sorgfalt darf nicht als Wertschätzung bellizistischer Domestikation, Erziehung von Tieren zu kriegerischen Zwecken, verstanden werden. Sie drückt die Ernsthaftigkeit aus, mit der es der Autorin (und Gestalterin) gelingt, die Perspektiven zu drehen: In lexikalisch-wissenschaftlicher Distanz führt sie eindrücklich vor Augen, dass die Sphären Tier/Natur versus Mensch/Kultur immer selbst schon Konstruktionen sind. Domestikation erscheint nicht mehr nur als Kulturtechnik, sondern der Mensch tritt im Reich der Tiere als eigenartiger Manipulator auf. Der Sprengstoffspürhund Treo wurde im Jahr 2010 mit der Dickin Medal geehrt, wie im Buch zu lesen ist – diesem bemerkenswerten Sonderfall zoologischer Literatur.