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Die Bibel
Über Frauen
Begründung der Jury
„Er verschafft Waisen und Witwen ihr Recht.“ So steht es geschrieben im fünften Buch Mose 10.18. Es ist der einzige Satz auf der sich zufällig öffnenden Doppelseite, ansonsten: schweigende Leere unter dem lebenden Kolumnentitel. Durchs dünne Papier schimmern hier und da einzelne Absätze. Schon ahnt man, dass womöglich das ganze Buch Mose ausgedünnt ist. In der Tat, und – oh Schreck – sogar diese komplette Bibel.
Den in schwarzes Kunstleder eingeschlagenen, flexiblen Einband ziert ein dezentes, golden geprägtes Zeichen: die mehrdeutige Verschmelzung aus dem Gender-Symbol der Venus und dem christlichen Passionskreuz. Das Ergebnis ähnelt der Lebensschleife, dem altägyptischen Kreuz. Nach einem roten Vorsatzpapier leiten rosafarbene Papiere – hier gruppieren sich Frauengestalten zum letzten Abendmahl – zum Inhalt über.
Bei dieser Bibelausgabe handelt sich um ein technisches Experiment. Das Satzprogramm verwandelt dank eines individualisierten Scriptes die Textrohdaten auf Knopfdruck in den fertigen Umbruch. Nur diejenigen Sätze werden gedruckt, die weibliche Personalbegriffe enthalten. Alle anderen Texte werden durch Weißfärbung getilgt. Das quantitativ-automatische Verfahren nimmt diese Kontextbefreiung durchaus in Kauf. Denn nur dadurch wird eines sichtbar, gewissermaßen als Positivzensur: die magere Ausbeute des femininen Extrakts.
Das kann ja heiter werden beim nächsten Bibelstechen.