Dorothee Waldenmaier
Fluss
Begründung der Jury
Hydrologische Landschaften
Wo ist vorne, wo hinten? Der Titel steht nur auf dem Umschlagrücken. Mit der weißen Seite liegt das Buch auf dem Tisch. Vorn flimmern schwarze, grafische Linien, gleichmäßig dicht nebeneinander, in Wellenform ganz leicht gekurvt. Sie flimmern von allein, rein optisch, nur im Auge. Bei der leichtesten Bewegung der großen Broschur steigert sich dieses Flimmern zu einem Flirren, Schillern und Tellern. Wellenstöße schießen über den Karton, ganz virtuell.
Und drinnen? Auf 170 Seiten glitzern Wasseroberflächen. Ganz- und doppelseitig angeschnittene Schwarz-Weiß-Fotografien, aufgenommen aus einem immer ähnlich schrägen Blickwinkel, konzentrieren sich auf die Verschmelzung von Licht, Schatten und Himmelsspiegelungen.
Wellenkuppen, Wellenabhänge und Wellentäler bilden ein organisches Relief. Die Maßstäbe gehen verloren, hydrologische Landschaften entstehen – geologisch mag man sie nicht nennen.
Der fotografische Augenblick von der Dauer der Belichtungszeit bremst die Wasserbewegung auf Null – und ist doch gleichzeitig ein Startschuss zu einer unendlichen Reise.
Der Blick schwimmt davon, Bild um Bild, Seite um Seite, von allem, was man bisher wusste. Spitzlichter verwandeln sich in tausend Sonnen am Firmament. Die Gedanken heben ab. Wo ist oben, wo unten?