Shinichiro Shiraishi
Samsara
Begründung der Jury
Die Beobachtung des Kartonumschlages ergibt folgenden Befund: minimalistische Typografie, vier kleine Bohrungen durch den gesamten Buchblock, nahezu farblose Erscheinung, subtiler Weiß-Weiß-Kontrast zwischen mattem Karton und irisierender Folienprägung. Das Licht spielt hier die Hauptrolle. Bei geeignetem Betrachtungswinkel erstrahlt ein Schriftzug, eine bis zur Grenze der Lesbarkeit abstrahierte Kunstform aus rotierenden Kreisen: »Samsara«, die altindische Bezeichnung für die spirituelle Vorstellung von Werden und Vergehen.
Der japanische Fotograf Shinichiro Shiraishi ist von einem magischen Ort in der südenglischen Küstenlandschaft ergriffen. Aus seinen Schwarzweiß-Fotografien entsteht ein Fotobuch: Meerblicke, Fischerhäuser, struppige Gewächse – Artefakte wechseln mit Dingen der Natur. Beispielhaft für das Bildprinzip ist die Seite, auf der sich gewundene Strukturen wie Algenbänder oder Grasbündel ineinander schlingen – tatsächlich sind es verrottende Seile.
Alle Bilder sind technisch verfremdet. Wie solarisiert kippen die schwärzesten Stellen ins Licht; so entstehen Vexierbilder zwischen Positiv und Negativ. Ein surrealer Lichtschimmer bannt die Motive in einem Schwebezustand.
Vier blau gedruckte Bildkarten mit Lochsteinen – sogenannte Hühnergötter, auf natürliche Weise durchbrochene Kieselsteine – stecken lose zwischen den Bildseiten. Sind dies archaische Schlüssellöcher, die einen Blick in metaphysische Dimensionen gewähren? Eine fotografische Meditation über die Dynamik allen Daseins.