Carlota Barberán Madruga
Willkommen
Sprachliche Begegnungen mit Migrant:innen
Begründung der Jury
Welche Rolle spielt die fremde, also die deutsche Sprache im Alltag von Personen mit Migrationsbiografie, die in Deutschland leben und arbeiten? Sie sind oft konfrontiert mit Klischees, die auf dem Irrtum beruhen, einen ausländischen Akzent als Indikator für die Persönlichkeit zu nehmen. Dem setzt die Gestalterin Carlota Barberàn Madruga ein experimentelles Buchprojekt entgegen. Sie tastet in 100 kurzen, niedrigschwelligen Fragen die Befindlichkeiten der Befragten ab, zum Beispiel: »Zwei Wörter, die für dich ähnlich/gleich klingen?« »Fordern und Fördern« lautet eine der Antworten.
Die Gestaltung der Doppelseiten wirkt auf den ersten Blick sachlich und nüchtern: übergroße Groteskschrift für Frage und Antworten, eine winzige Festbreitenschrift für die Personennamen, sehr feine Linien und die hellgraue Hinterlegung, die typisch ist für bürokratische Typografie, um auszufüllende Felder zu markieren. Diese schematische Grundidee wird aber aufgelöst, indem die Antworten redaktionell sortiert werden, die Zuordnung zu den Personennamen aber konsequent in Tabellenform bleibt und deshalb ein poetisches Satzbild entsteht.
Der schmale Bildteil stellt Rätsel. Ein grauer Schleier legt sich über alle Motive: extreme Bildausschnitte, Beschneidung der Tonwertskala, weiche Übergänge durch Interpolationsfilter und Betonung von JPG-Artefakten. Dass diese Verunklärungen obendrein auf glänzendes Papier gedruckt wurden, ist freilich Absicht: eine Visualisierung des sprachlichen Gefühls, das man aus Dialogen kennt, wenn die Botschaft im Nebel hängen bleibt.