Virginie Calvet, Felix Hunger
Zwischen Euphrat und Tigris
Archiv einer dekonstruierten Destruktion
Begründung der Jury
Eine außergewöhnliche Sicht auf 4558 Fotos bietet das „Archiv einer dekonstruierten Destruktion“, wie der Untertitel es nennt. Die Pressefotografien stammen aus den Jahren 2003 bis 2011, in denen das US-amerikanische Militär den Irak besetzte. Experimente ästhetischer Abstraktion geben Antwort auf die Leitfrage: Bergen Fotos auch Botschaften jenseits des Abgebildeten?
Zum Beispiel im Kapitel „Verlauf von Ocker zu Beige“: Das gesamte Ausgangsmaterial wird gemäß der jeweils durchschnittlichen Farbdominanz jedes Bildes in feine, farbige Streifen zerlegt. Diese flirrenden Muster analysieren das Kolorit der Steppe – eine Farbkarte des Krieges entsteht.
Großen Raum beansprucht das Kapitel „Schleier in Khaki“ über den Aspekt der Tarnung. Akribisch werden die feinen Unterschiede zwischen Digital Pattern wie das MARPAT, dem Operational Camouflage Pattern oder dem Muster Desert Battle Dress Uniform beobachtet.
Diese Beobachtungen decken eine Absurdität im Unterbewusstsein auf, nämlich den Wunsch durch Unsichtbarkeit unverletzbar zu sein oder sich einfach aus dem Staub zu machen – und die Angst, durch einen Treffer endgültig zu verschwinden.
Ein anderer Abschnitt, „Deformation in kantig“, lüftet das Geheimnis der schwarzen Flecken auf dem Umschlag. Die bizzaren Polygone entstehen dadurch, dass Autowracks aus ihrem Hintergrund herausgelöst und die Fläche der Objekte geschwärzt wurden. Als gruselige Schatten der Unterwelt verdecken sie den Kontext und werden zu Zeugen brutaler Gewalttätigkeit.
Eine erstaunliche Betrachtung über die Sinnlosigkeit des Krieges.