Miriam Waldvogel

Begründung der Jury

Doppeldeutiges Schillern

Das kulturelle Handbuch zum schweizerischen Doppelkanton Appenzell bewegt sich wunderbar weich zwischen den Händen, denn: Der Klappenumschlag liegt wie ein um die Schultern gelegter Mantel bloß lose um den Buchblock. Dieser wiederum verzichtet völlig auf einen Einband irgendeiner Art, sodass die Stiche des roten Heftfadens am offenen Rücken sichtbar bleiben.
Augenscheinlich sind die Textseiten zweispaltig angelegt, freilich mit gleich breiten Kolumnen – aber ganz so einfach ist es nicht. Es lohnt sich, den Satzspiegel genauer zu betrachten, um die Reichhaltigkeit an Satzformen zu ergründen: Unterhalb einer nicht ganz gefüllten Spalte verlängern sich die Zeilen der Nachbarspalte auf eine größere Satzbreite. Beide Kolumnen wirken deshalb wie übereinandergelegt. Es paust sich ein zweiter zweispaltiger Satzspiegel durch, aufgeteilt zu einem Drittel und zwei Dritteln. Die eine, schmalere Spalte wird zur Marginalspalte; sie fängt verschiedene Subtextsorten auf. Sehr subtil: Nur die rechten Spalten flattern linksbündig.
Dieses Verschränkungskonzept der Buchgestaltung kündet bereits die Bildsequenzen auf Umschlag, Buchanfang und -ende an. Das doppeldeutige Schillern der ineinander geblendeten Fotografien wird zur Allegorie der beiden Appenzeller Halbkantone Innerrhoden und Außerrhoden.