Britt Müller, Winnes Rademächers
Heb mal ein Bein!
- Kategorie
- Kinderbücher - Jugendbücher
Begründung der Jury
Die Schrift: dunkelblaue Versalien einer Grotesk, halbfett extracondensed, deren Schäfte hier und da sublim geneigt sind und minimalistisch um die Schriftlinie tänzeln. Die Bilder: ein rotes, elementares Piktogramm, bestehend aus fünf Vierecken und einem Kreis. Linksseitig stehen Aufforderungen. Rechtsseitig reagiert das Piktogramm mit einer Aktion und/oder mit einer Entgegnung.
Was geht hier eigentlich vor sich? Dazu meinen die Autoren auf der Rückseite des Pappbandes: »Die Antwort ist ganz einfach.« Aber das sagt sich so leicht.
Der Schlüssel verbirgt sich in der Doppelseite 20/21. Wunderbar, endlich passiert etwas! Das Piktogramm-Männchen explodiert in seine Einzelteile, obgleich es vorher schon Einzelteile waren. Dass erst durch die Konfiguration der Teile die Bedeutung entsteht – darüber braucht ein Kind überhaupt nicht nachdenken. Es begreift unmittelbar, dass das Strichmännchen lädiert ist. Extrem lädiert ist. Und die Bitte um Heilemachen (siehe Seiten 22/23) ist mit einer Wiederherstellung im Sinne systematischen Ordnens der Teile nicht erfüllt – sondern erst, nachdem die Gestalt der Figur wiederhergestellt ist.
Dieses Buch statuiert ein Exempel der grenzenlosen Ausdrucksmöglichkeit visueller Phantasie. Vielleicht haben Kinder ein unverstelltes Verhältnis zu Zeichen und Bedeutung. Die Erwachsenen indes stützen sich auf die semiotischen Regeln der Zeichenzerlegung. Oder auf das Bauhausbuch Nr. 9 von Kandinsky: »Punkt und Linie zu Fläche«. Oder auf Magrittes Pfeife, die keine ist.